BA Jenny Nerlich

INK & INTUITION

Idee:
In der unendlichen Suche nach Bedeutung und Orientierung in unserem Leben begegnen wir oft den subtilen Zeichen, die uns das Leben sendet. Es ist ein faszinierendes Konzept: Wir neigen dazu, nur das wahrzunehmen, was für uns von Bedeutung ist. Nehmen wir als Beispiel die Entscheidung, ein neues Fahrrad zu kaufen. Angenommen, es ist ein rotes Rennrad, was wir uns wünschen. Plötzlich erscheinen sie überall – als würden sie nur darauf warten, von uns bemerkt zu werden. Diese selektive Wahrnehmung ist kein Zufall, sie ist ein Produkt unseres retikulären Aktivierungssystems (RAS), das unsere Aufmerksamkeit lenkt und uns hilft, den Lärm der Welt zu filtern. Es fungiert wie ein hochentwickelter Filter für unsere Aufmerksamkeit, ein neuronales Netzwerk im Gehirn, das die Fülle an Informationen, die täglich auf uns einströmt, steuert und verarbeitet. Es hilft uns, die Relevanz und Wichtigkeit von Reizen zu bestimmen, sodass wir nicht von den unzähligen Geräuschen, Bildern und Eindrücken überwältigt werden, die uns umgeben. Das RAS funktioniert, indem es unsere Sinne auf das konzentriert, was für uns von Bedeutung ist. Wenn wir also einen bestimmten Gedanken oder Wunsch haben – sei es der Wunsch, ein neues Fahrrad zu kaufen oder einen Urlaub zu planen – lenkt das RAS unsere Aufmerksamkeit automatisch auf alles, was mit diesem Thema verbunden ist. Plötzlich sehen wir überall rote Rennräder oder überhören am Nachbartisch Gespräche über Spanien, all das, was zuvor im Hintergrund verblasst war, tritt in den Vordergrund.
Diese Mechanik ist nicht nur ein Schutzmechanismus des Gehirns, sondern auch ein Werkzeug der Selbstschöpfung. Indem wir unsere Gedanken und Intentionen bewusst steuern, können wir unsere Wahrnehmung so ausrichten, dass wir die Dinge in unser Leben ziehen, die mit unseren Zielen und Wünschen übereinstimmen. Es ist, als würde man ein neues Licht auf die Welt werfen, das uns erlaubt, das zu sehen, was wir tatsächlich anziehen und erforschen möchten. Diese selektive Wahrnehmung kann auch erklären, warum Tarotkarten so eine tiefgreifende Resonanz in unserem Leben haben können. Wenn wir uns mit den Symbolen und Bedeutungen der Karten auseinandersetzen, öffnen wir die Tür zu neuen Perspektiven und Einsichten. Wir beginnen, die Signale und Zeichen, die uns das Leben sendet, aktiver wahrzunehmen, und die Karten werden zu einem Medium, das uns hilft, unsere innere Weisheit zu entdecken und zu verstehen.
Es hat lange gedauert, um diesen Mechanismus zu verstehen und in meinem kreativen Prozess für diese Arbeit zu nutzen. Bei meiner Auseinandersetzung mit Tarot, insbesondere mit der Großen Arkana, wurde mir klar, dass dies das perfekte Experiment ist. Diese 22 Karten – von „Der Narr“ bis „Die Welt“ – spiegeln traditionell eine Lebensreise wider, vom Unbekannten bis zur Vollendung. Jede Karte, akribisch mit Symbolen gestaltet, enthält tiefere Bedeutungen, die darauf warten, von uns als Individuen entdeckt zu werden.
In den letzten Monaten saß ich oft vor diesen Karten, ohne wirklich zu wissen, wie ich ihre grafische Darstellung modernisieren und gleichzeitig einen psychologischen und spirituellen Ansatz verfolgen sollte. Ideen kamen und gingen, aber nichts schien wirklich greifbar oder inspirierend genug für mich. Bis mir schließlich die Idee kam: Ich könnte die selektive Wahrnehmung meines RAS nutzen, um die Symbole der Karten in meinem Alltag zu erkennen.
Ich entschied mich, für 22 Tage Symbole in mein Leben kommen zu lassen, die jede Karte repräsentiert. Vom 14. August an machte ich es mir zur Aufgabe, diese Elemente in meinem Leben zu entdecken, – sei es auf der Straße, in Magazinen oder auf Social Media. Ähnlich wie bei der Urlaubsplanung, wenn ich mich mit einem Ziel beschäftige und plötzlich alles um mich herum mit diesem Thema resoniert, begannen auch die Zeichen des Tarots, sich in meine Realität zu drängen.
Dieses Experiment fiel in eine transformative Phase meines Lebens, was der Arbeit eine tief persönliche Note verlieh.

Prozess:
Ich habe die Eindrücke der 22 Tage in Moodboards und Collagen gesteckt, die ich vom Display aus eingescannt habe. Die ursprünglichen Raider Waite Tarotkarten habe ich ebenfalls eingescannt und sie dabei bewegt, was wunderbare Formen hervorgebracht hat. Am Ende legte ich alle Ergebnisse – Moodboards, eingescannt Karten und die Texte, die ich zu den jeweiligen Karten geschrieben habe – mit einer Displacement Map übereinander. Dabei sind Ergebnisse entstanden, die sich in Form von neuen Karten zeigen lassen.
Der Einsatz des Displacement Map-Effekts in Photoshop war mein Mittel, um die vielschichtige Natur der Symbolik im Tarot visuell darzustellen. Diese Technik ermöglichte es mir, verschiedene Ebenen von Bildern miteinander zu kombinieren und dabei sowohl die ursprünglichen als auch die neuen Elemente zu bewahren. Das Ergebnis ist eine harmonische Verschmelzung, die die Tiefe jeder Tarotkarte widerspiegelt.
Die Displacement Map funktioniert, indem sie die Pixel der Basisbilder (in diesem Fall die eingescannten Karten) in Abhängigkeit von den Helligkeitswerten eines anderen Bildes (z. B. den Moodboards und Collagen) verschiebt. Dies erzeugt den Eindruck, dass die Symbole und Bedeutungen der Karten in eine neue Dimension eintreten, als ob sie lebendig würden und sich an die Veränderungen in unserer Wahrnehmung anpassen.
Retrospektiv finde ich, dass der Displacement Map-Effekt die Idee der Transformation und der Mehrdimensionalität verkörpert. Im Tarot geht es nicht nur um die Sichtbarkeit der Symbole, sondern auch um das, was zwischen den Zeilen liegt – die subtilen Botschaften und Einsichten, die oft auch versteckt sind. Durch diese Technik kann ich die interaktive Beziehung zwischen den Karten und meiner persönlichen Interpretation verdeutlichen, was das Projekt sowohl visuell ansprechend als auch konzeptionell tiefgründig macht.

Darüber hinaus ist die Idee, alte und neue Elemente miteinander zu kombinieren, eine Metapher für meinen kreativen Prozess selbst. So wie die Displacement Map unterschiedliche Bilder verbindet, so verbinden auch meine Erfahrungen und meine Reflexionen über das Tarot die Vergangenheit mit der Gegenwart. Dieser Prozess der Fusion und Erneuerung ist ein zentraler Aspekt meiner Arbeit und unterstreicht die Relevanz von Tarot in unserem modernen Leben 2024. Es ist nicht nur eine Rückkehr zu den Ursprüngen, sondern auch eine Aufforderung, die bestehende Symbolik neu zu interpretieren und zu verstehen.
Tarot ist ein kraftvolles Medium, um unsere Intuition zu stärken und unsere innersten Wünsche zu erkunden. Was sehen wir in den Karten? Welche Bedeutungen möchten wir hineininterpretieren? Letztendlich ist es keine Magie – es ist das Wiederentdecken dessen, was wir bereits wussten.

Displacement Two
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BA Jenny Nerlich
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Displacement Two
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